„Wir sind nicht ganz so leicht auszurechnen“
Andreas Seiferth
// Wie bewertest du unsere Leistung beim Overtime-Sieg in Bochum?
Andreas Seiferth: Am meisten freut mich, dass wir uns noch einmal zusammengerauft und Moral gezeigt haben. Wir waren sechs Punkte hinten, bei zwei Minuten zu spielen. Das ist keine einfache Situation mit der Vorgeschichte der zweiten Halbzeit. Umso schöner, dass wir noch einmal ausgleichen und in der Overtime den Sieg holten konnten. Gerade für die Stimmung und Moral war es wichtig, nicht direkt in der Overtime noch einmal auf den Deckel zu kriegen wie in Spiel eins in Hagen. Deswegen war es ein sehr wichtiges Spiel, auch wenn klar zu sehen war, woran es noch hapert. Es würde mich überraschen, wenn Karlsruhe nicht auch zumindest phasenweise Zone spielen würde. Da müssen wir uns noch beweisen.
// Welche Rolle haben unsere mitgereisten Fans gespielt??
Andreas Seiferth: Ich war überrascht, wie viele dabei waren. Das war auch schon in Hagen so, da saßen sie aber weiter weg. In Bochum waren sie deutlich präsenter – auch von der Lautstärke her. Das hat Spaß gemacht. Ich hoffe, dass sich bei den anderen NRW-Derbys wieder ein guter Trupp zusammenfindet. Die Unterstützung kam auch sehr positiv in der Mannschaft an.
// Hat Dich unser durchaus gelungener 2:1-Start überrascht?
Andreas Seiferth: Den Anspruch, auch mal in der Liga zu überraschen, hatte ich schon, weil wir in der Vorbereitung ordentliche Ansätze hatten. Wir müssen uns auch mal auf eine Durststrecke einstellen, die vielleicht im Laufe der Saison kommt, wo wir dann beweisen müssen, wieder auf die Erfolgsspur zu kommen. Es wird für uns eine spannende Saison. Fürs erste bin ich zufrieden, zum zweiten aber auch nicht wirklich überrascht, weil ich im Training und in den Vorbereitungsspielen schon gute Ansätze gesehen habe.
// Zwei Siege, eine Niederlage als Aufsteiger: Wie ordnest Du die aktuelle Entwicklung unserer Mannschaft nach den ersten drei ProA-Spieltagen ein?
Andreas Seiferth: Aktuell ist die Defense unser Steckenpferd, auch in der Vorbereitung schon. Umso besser, dass wir gerade bei den Rebounds gut zupacken. Wir sind im Halbfeld schwer zu knacken.
Ich finde gut, dass wir uns von Spiel zu Spiel steigern konnten. Offensiv haben wir noch Potenzial. Die Turnover sind kein Geheimnis, sind noch ein großes Problem.
// Worin liegen die Gründe für die hohe Anzahl an Turnovern?
Andreas Seiferth: Wir wollen manchmal an den falschen Stellen zu schnell und zu hektisch agieren. Besser auf den Ball aufzupassen, wird immer wieder und weiter Thema bleiben. Hoffentlich machen wir da weitere Schritte nach vorne. Gerade gegen die Zone hat man gesehen, dass wir nicht so einfach den richtigen Pass finden. Wichtig auch, wir haben schon Spiele gehabt, wo sich jeder mal zeigen konnte und andere auch bewusst einen Schritt zurückgegangen sind. Deswegen sind wir auch nicht ganz so leicht auszurechnen. Insgesamt bin ich bisher mit unserer Entwicklung zufrieden.
// Du hast vor deinem Wechsel zu uns 13 Jahre in der BBL und 53 mal in der Nationalmannschaft gespielt, hast in unserem Kader mit Abstand die meiste Erfahrung. Demzufolge hast du eine absolute Führungsrolle. Wie interpretierst du diese?
Andreas Seiferth: Es ist auch für mich eine neue Situation, so eine Verantwortung zu haben. Die gab es in dem Maße in der ersten Liga nicht für mich. Ich bin im Spielerischen gefordert, die Leistung zu zeigen, Ruhe, Kontrolle und Führung reinzubringen in unser Spiel. Ich bin aber auch im Training und daneben gefordert, jeden mal zur Seite zu nehmen und zur Spielerentwicklung beizutragen, vielleicht auch einmal den verlängerten Arm von Björn zu spielen. Denn wir haben viele junge Spieler.
// Im ersten Heimspiel hast Du weniger als in den anderen Spielen gespielt. Warum?
Andreas Seiferth: In Phasen, wo es gut läuft kann man man selber sagen, jetzt muss ich vielleicht nicht noch einmal spielen, sondern ein bestimmter Spieler, damit wir ihn wieder ein bisschen reinkriegen. Zum Beispiel gegen Kirchheim. Das kannte ich so noch nicht und muss ich auch ein Stück weit lernen, weil man natürlich immer spielen möchte. Aber wenn man sich darauf einlässt, kann die Mannschaft nur profitieren. Eine solche, weiter definierte Führungsrolle hatte ich in meiner Karriere noch nicht. Sie ist auch für meine eigene Persönlichkeitsentwicklung lehrreich. Es ist nicht so, dass ich alles schon perfekt mache.
// Du bist zum Ende der Vorbereitung dazugekommen. Wie verläuft derzeit deine persönliche sportliche Integration in ein Team, das einen so starken Center noch nicht hatte?
Andreas Seiferth: Wir müssen weiterhin lernen, zusammenzuspielen. Der Ball muss nicht nur rausgehen oder von mir abgeschlossen werden. Ich kann auch mal nur der Verteiler sein, Assists spielen. Aus dem Pick and roll können wir die Abstimmung noch verbessern. Defensiv haben wir das bis jetzt gut hinbekommen, insbesondere unsere Tempokontrolle dem Gegner aufzudrücken. Offensiv haben wir das noch nicht so geschafft. Da können wir vielleicht einmal den Extrapass spielen oder in der Raumaufteilung, es gibt schon noch ein paar Sachen. Aber es wäre auch ungewöhnlich, wenn wir das in der neuen Zusammenstellung in fünf Wochen schon geschafft hätten.
// Was erwartet uns mit den Karlsruhe Lions für ein Gegner? Wie läuft die Vorbereitung auf die Partie am Samstagabend?
Andreas Seiferth: Karlsruhe kann man vielleicht ähnlich einschätzen wie Bochum, ist offensiv vielleicht noch potenter. Sie haben auch den größeren Hang dazu, offensiv etwas wilder zu sein. Sie können sehr schnell sehr heißlaufen. Unterm Korb müssen wir aufpassen, vor allem offensiv, was in Bochum nicht so der Fall war. Wenn sie den Schwung aus dem Trier-Spiel mitnehmen, sind sie schon eine Herausforderung. In der Tabelle stehen wir gerade vor ihnen und wollen der Rolle natürlich gerecht werden.
// Was ist Björn Harmsen für ein Trainertyp?
Andreas Seiferth: Wir kannten uns schon, ich hatte auch schon ein Individualtraining mit ihm. Ich habe oft gegen ihn gespielt. Björn ist ein Trainer, der viel fordert. Er ist sehr detailliert und akribisch in dem, was er machen will. Er hat einen klaren Plan, sowohl offensiv als auch defensiv. Es ist schon fordernd. Wir haben kein Playbook von fünf bis zehn Sets, die wir die ganze Saison spielen, sondern es wird immer abhängig vom Gegner angepasst. Mir macht es Spaß, unter ihm zu spielen, weil er dich immer fordert. Es kann auf der anderen Seite, je nachdem in welcher Verfassung man gerade ist, manchmal auch zu einem Konflikt führen.
Er setzt das sehr gut ein und wir haben in der Mannschaft immer mehr Austausch. Das hilft uns und wir brauchen das auch ein Stück weit. Mit unserem Austausch bekommen wir auch ohne ihn immer besser hin, zu wissen, was er von uns verlangt, wie unser Spiel aussehen soll. Es ist wichtig, dass von allen Seiten Verständnis dafür herrscht. Wem man seine Vorgaben umsetzt, ist das dementsprechend erfolgreich, weil Björn das sehr akribisch vorbereitet.
// Es sind deine ersten Wochen mit der Doppelbelastung beim REACH und den WWU Baskets. Wie läuft Dein Einstieg bis dato?
Andreas Seiferth: Mir macht sowohl der Basketball in Münster als auch die berufliche Aufgabe im REACH sehr viel Spaß. Es ist noch sehr fordernd. Man probiert gerade am Anfang, sehr viel bis alles mitzunehmen. Ich musste mir auch selber einmal Pausen einräumen.
// Ist das Projekt mit Hauptsponsor Atruvia mit Dir schon gestartet?
Andreas Seiferth: Es gab jetzt den ersten Austausch über die Zusammenstellung des Teams und über den nächsten Schritt und wer dazu kommt, um an Problemstellungen mitzuarbeiten. Das Kick-off ist noch nicht definiert, wird aber voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres sein. Das wird spannend.
// Wie sind Deine ersten Eindrücke von der Stadt Münster? Wie hast Du dich eingelebt?
Andreas Seiferth: Münster gefällt mir sehr gut. Ich wohne an der Hammer Straße, habe dort einen optimalen Ausgangspunkt. Alles ist sehr schnell zu erreichen. Den Aasee habe ich schon gesehen. Auch auf dem Markt war ich samstags schon. Da hat mir die Stimmung gut gefallen. Es war ganz entspannt. Den Hawerkamp habe ich auch schon mal vorsichtig angetestet. Ich habe schon etwas gesehen, das ist aber noch ausbaufähig.
// Letzte Frage: Traust du uns nach den ersten Eindrücken über die ProA den Klassenerhalt zu?
Andreas Seiferth: Auf jeden Fall.